Wer sind wir
Wir sind der Verband der vertriebenen Frauen und Spätaussiedlerinnen. Unsere Familien wurden aus den ehemaligen deutschen Staats- und Siedlungsgebieten vertrieben, deportiert und ausgesiedelt.
1945 erlitten rund 14 Millionen Deutsche das Vertreibungsschicksal, zwei Millionen davon starben. Während der Flucht und beim Einleben in die „neue“ Heimat im Westen Deutschlands war die gegenseitige Hilfe lebenswichtig. Deswegen gründeten die Frauen 1959 unter dem Dach des Vertriebenenverbandes den Frauenverband im Bund der Vertriebenen e. V.. Nach der Wiedervereinigung traten Frauen aus den neuen Bundesländern bei. Danach kamen die Aussiedlerinnen und Spätaussiedlerinnen aus Polen, Rumänien, Ungarn und anderen Ländern wie den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetrepubliken dazu.
Der Frauenverband im Bund der Vertriebenen vertritt die Interessen aller vertriebenen Frauen sowie Spätaussiedlerinnen, die in den Landsmannschaften ihrer Herkunftsgebiete und in den 16 Landesverbänden im Bund der Vertriebenen organisiert sind.
Viele Deutsche blieben in der angestammten Heimat. Unter kommunistischen Diktaturen wurden sie entrechtet, verfolgt und durften keine Kontakte zu den vertriebenen Verwandten im Westen unterhalten. Als Fremde in der eigenen Heimat bemühten sie sich oft über Jahrzehnte erfolglos um eine Umsiedlung in die Bundesrepublik. Die Vernetzungsarbeit zwischen den Vertriebenen und den Verbliebenen führen wir bis heute fort.
Im Laufe von Jahrzehnten haben sich die Themen und die Zielgruppen gewandelt. Heute gibt es nur wenige Zeitzeugen, die diese Geschehnisse erlebt haben. Jedoch steigt die Zahl der jungen Menschen, die erkennen, dass dieser Teil der deutschen Gesamtgeschichte ihr eigenes Sein und ihre Identität maßgeblich bestimmen. Vermehrt entdecken junge Frauen aus der Kinder- und Enkelgeneration, dass es existentielle Fragen betreffend die eigene Person, die Familie oder der Heimat gibt, die sie heute beschäftigen – genau wie früher ihre Mütter und Großmütter. Damit im Zusammenhang stehen auch die Verarbeitung und die Bewältigung des transgenerationalen Traumas, das in vielen Familien tiefe Spuren hinterlassen hat. Für die Betroffenen bilden wir ein Netzwerk, das den Kontakt zu Zeitzeugen und den Austausch zwischen Menschen mit ähnlichen Fragen und Erfahrungen bietet.
Aus dem Gedanken der Versöhnung heraus erwuchs der Dialog mit unseren osteuropäischen Nachbarn. Die Gespräche, der Austausch und die gemeinsamen Projekte mit den Daheimverbliebenen sowie mit Schulen, mit Universitäten und mit anderen Institutionen in Osteuropa haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. Unsere Frauen unterstützen unzählige kulturelle, kirchliche und soziale Projekte gemeinsam mit den Menschen, die heute in ihren ehemaligen Heimatorten leben. Es gibt eine lebendige Zusammenarbeit mit den bilateralen Jugendforen und Gesellschaften. Allein in der Corona Pandemie gab es einen spürbaren Einbruch.
Eine generationenübergreifende Aufgabe bleibt die Bewahrung des heimatlichen Kulturguts. Wir wollen Bewährtes in veränderten Lebenssituationen zu neuem Leben erwecken. Die Frauen in den Orts-, Kreis- und Landesgruppen errichteten mit viel Herzblut Heimatstuben, sie vermitteln Liedgut, Tänze, Kochrezepte, Handarbeits- und andere Kulturtechniken. Gegenwärtig engagieren sich unsere Frauen im wissenschaftlichen Geschichtsdiskurs, weil sie erkannt haben, dass es wichtig für unsere Identität ist, für die Geschichte der deutschen Vertreibung, Deportation und Aussiedlung als Teil der deutschen Gesamtgeschichte einzutreten. Die Frauen aus der Erlebnisgeneration haben Erfahrungsberichte, Biografien und Bücher als Zeugnis von ihrem Leben und Wirken hinterlassen. Es ist unsere Aufgabe, diese Erinnerungskultur wertzuschätzen und fortzuschreiben.
Heute zählen vermehrt Frauen zu unseren Mitgliedern, die in Vertriebenen- und Aussiedlerfamilien hinein geboren wurden oder Kriegskinder und -enkel sind. Viele von ihnen erleben Identitätskrisen, in denen sie eine tiefe Traurigkeit und Verlusterfahrungen spüren, ohne dass ihnen die Gründe für diese Gefühle bewusst werden. Was sie bedrückt, ist der Rucksack mit der Last der unverarbeiteten traumatischen Erlebnisse, die sie von ihren Eltern und Großeltern übernommen haben. Wir sprechen von transgenerationalen Traumata, deren Bann nur gebrochen werden kann, wenn sich die Betroffenen mit den ungeklärten Fragen ihrer Herkunft und ihres Seins auseinandersetzen und für sich selber die Frage der Zugehörigkeit (Zu wem? Warum?) schlüssig klären.