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Begegnungstagung des Frauenverbandes in Schlesien vom 25. – 30. Juni 2022

Höhepunkte unserer Begegnungs-Tagung in Schlesien

Die erste Eindrücke stammen von den Stadtbildern von Breslau und Oppeln. Beide Städte wie auch die dazwischen liegenden Dörfer sind in ihrer Bausubstanz durch die deutsche Besiedlung aus der Vorkriegszeit geprägt. Die Lücken wurden mittlerweile geschlossen. In der Nachkriegszeit musste der Wohnungsmangel genau wie im Westen behoben werden. Für aufwendige und stilsichere Bauten fehlte die Zeit und das Geld. Jedenfalls war unser Eindruck, dass die Polen ihr Erbe angenommen und weiter entwickelt haben. Die Städte und Dörfer zwischen Breslau und Oppeln sind sehr gepflegt.

Zu Beginn unseres Besuchs wurden wir von der Vizemarschallin der Woiewodschaft Oppeln und dem neu gewählten Vorsitzenden des Verbandes der deutschen sozialkulturellen Gesellschaften in Polen und zugleich Landtagsvorsitzenden Rafal Bartek empfangen. Die Vizemarschallin verdeutlichte die starke Position der Frauen in der Selbstorganisation der Deutschen in Polen, was nicht auf den Oppelner Landtag zu übertragen ist. Sie war überzeugt, dass Frauen „alles können“ wenn ihnen die Chancen geboten werden. Das Hauptthema unserer Gespräche mit dem Vorsitzenden Bartek war die widerrechtliche und diskriminierende Kürzung des muttersprachlichen Unterrichts einzig und allein für die deutsche Minderheit in Polen. Herr Bartek erörterte mögliche Szenarien, wie man die polnische Regierung zu überzeugen könnte, die verfassungswidrigen Unterrichtskürzungen zurück zu nehmen. Für die Minderheit ist die aktuelle Situation ein herber Schlag. Denn die Benutzung der Muttersprache bildet das Kernstück der ethnischen Identität. Der Empfang durch die Vizemarschallin und den Landtagsvorsitzenden in Oppeln verdeutlichte uns, dass die Deutschen in Polen hier als gleichberechtigte Bürger akzeptiert werden und dass wir als Bürger der Bundesrepublik Deutschland willkommen sind.

Eine weitere starke und tatkräftige schlesische Frau begegnete uns in der Gestalt von Frau Rosa Zgorzelska. Sie hat einen landwirtschaftlichen Betrieb als Museum wieder errichtet  und systematisch aufgebaut – mit allen Geräten in der Scheune, Fuhrpark, Küche mit Porzellan Sammlung, Bäckereibetrieb… und mit Urkunden dokumentiert. Auf das Lebenswerk von Frau Zgorzelska treffen die Worte Luthers zu; „Hier stehe ich und kann nicht anders“ als die Leistungen meiner Vorfahren aufzuzeigen. Wir wurden mit selbstgebackenen Streuselkuchen und eigenen Erfrischungsgetränken bewirtet. Nach den Worten von Frau Zgorzelska sind sich Fremde begegnet und als Freunde auseinander gegangen. Wir vom Frauenverband mit den schlesischen Frauen verabschiedeten uns voller Dankbarkeit und Bewunderung von dieser tapferen Frau.

Den erfrischenden Rundgang um die Wallfahrtskirche auf dem St.-Annaberg gestaltete Frau Czeczor. Sie vermittelte einen lebensnahen Glauben, der seinen Grund in der christlichen Liebe und Gemeinschaft hat. Nach der Basilika besuchten wir viele weitere Kirchen und suchten den Dialog mit Geistlichen, um einen Eindruck vom religiösen Leben in Polen zu gewinnen. Der katholische Priester Prof. Tarlinski und der protestantische  Pastor  Pracki überzeugten uns durch ihren standfesten Glauben, ihre Zuwendung zu ihren Gläubigen mit der klaren Hinwendung zur Ökumene und der Geste der ausgestreckten Hand für „die Anderen“. Eine Kultur des Miteinanders, die uns alle unsere Gesprächspartner vermittelten.

Herr Ryborz der Leiter des Eichendorff-Zentrums, katapultierte uns mit den Gedichten und vertonten Liedern von Eichendorff in die Zeit der Romantik. Und er holte uns wieder in die Kriegs-Gegenwart zurück, als er schilderte, dass die Gästeunterkünfte des Eichendorff-Zentrums im Moment von ukrainischen Flüchtlingen genutzt werden.

Der Vortrag der Historikerin Prof. Ioanna Rostropowicz zeigte uns, dass es in Schlesien schon immer selbstbewusste Frauen gab, die sich nicht entmutigen ließen.

Doch wenden wir uns den zahlreichen jungen und selbstbewussten schlesischen Frauen der Gegenwart zu. Frau Herud als kompetente Beauftragte des Marschalls für Minderheiten, die am Abend freudig für uns musizierte und uns zum Tanzen anfeuerte. Frau Hassa als die neue selbstbewusste Geschäftsführerin der Sozialkulturellen Gesellschaften in Polen; Frau Czeczor mit ansteckendem Glauben und Humor beim Rundgang am St. Annaberg sowie Sachkunde und Esprit im  Archiv des Oppelner Forschungszentrums; Frau Wiese bei der verantwortungsvollen Aufgabe des Aufbaus des Dokumentations- und Ausstellungszentrums, welche sowohl die deutsche als auch die polnische und die schlesische Perspektive darstellen soll; Frau Stolz, die einen Überblick über die große Vielfalt der deutschen Publikationen in Schlesien bot; Frau Sordon als die tatkräftige Seele des Jugendzentrums in Oppeln, Frau Szarek-Tomala als beherzte Leiterin von Jugend- und Familiengruppen.

Ein weiterer Höhepunkt unserer Reise war der Besuch des Schulträgers Pro Liberis Silesiea mit dem Sommerferienprojekt Kinderspielstadt in Oppeln Malino unter Leitung der Geschwister Barbara und Dr. Margarethe Wysdak. In der Spielstadt-Gemeinde erlebten wir ein Feuerwerk von Kreativität und jugendlicher / kindlicher Einsatzfreude vom Rathaus über die Experimentierstation bis zur Küche, dem Einfamilienhaus und allen dazugehörigen gemeindlichen Einrichtungen.

Während der Begegnungstagung wurde uns Schritt für Schritt immer bewusster, dass Frau Prof. Rostropowicz die Geschichte der großen tatkräftigen Frauen fortsetzen muss. Denn wir haben viele selbstbewusste und kompetente schlesische Frauen erlebt.

Wir schließen hier, nicht ohne den erfahrenen organisatorischen Einsatz der Kulturspezialistin der deutschen Sozialkulturellen Gesellschaften, Monika Wittek, für unsere Tagung dankend zu würdigen, und uns im gleichem Atemzug für die freundschaftliche Teilnahme von Roza, Agnieszka, Lucja, Weronika an unserer Begegnungstagung aus ganzen Herzen zu bedanken!!! Die Begegnungen sind eine große Bereicherung für uns. Wir haben viel gelernt, tiefgehende Gespräche mit Euch allen geführt, gemeinsam gebetet, gesungen, gelacht und getanzt, Mit Blick auf den Ukraine Krieg ist es uns mehr denn je bewusst, wie wichtig dieser Austausch für uns Frauen in Europa ist.

Deswegen wollen wir unseren Dialog weiter pflegen und Euch zur Tagung des Frauenverbandes „Die Baltischen Länder: Drei Staaten, drei Sprachen – eine gemeinsame Geschichte und Kultur?“  vom 7.-9. August im Heiligenhof, Bad Kissingen einladen.

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