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Polen in der Zeit der kommunistischen Diktatur von 1945-1989

Die NS-Herrschaft tobte auf dem Gebiet Polens in aller Härte. Das betraf vor allem die jüdische Bevölkerung. 1943 wurde der jüdische Aufstand im Warschauer Ghetto niedergeschlagen. Ein Jahr später gelang es der polnischen Heimatarmee nicht, Warschau von den Deutschen zurückzuerobern. Am Ende des Zweiten Weltkrieges hatte Polen fast sechs Millionen Tote zu beklagen.

Im Potsdamer Abkommen wurde 1945 die polnische Grenze nach Westen bis zur Oder-Neiße verschoben. Die Deutschen in den Gebieten östlich dieser Grenze wurden vertrieben ‑ mit der gleichen Brutalität, mit der zuvor die Deutschen in Polen wüteten. Polen wurde Teil des russisch dominierten Warschauer Paktes.

Die 1943 als „Polnische Arbeiterpartei“ (PPR) neugegründete kommunistische Partei schaltete nach ihrer Machtübernahme 1944/45 Schritt für Schritt die demokratischen Kräfte aus. Der mächtigste Politiker in der „Provisorischen Regierung“ war der PPR-Sekretär Wladyslaw Gomulka als Erster Stellvertretender Ministerpräsident. Den Machtkampf zwischen den Kommunisten, die unter Wladyslaw Gomulka im Untergrund gekämpft hatten, und den russischen Exilkommunisten, entschieden Letztere mit Boleslaw Bierek für sich. Nach dem Zusammenschluss der PPR mit der PPS (Sozialistischen Partei) zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) übernahmen die Kommunisten die uneingeschränkte Macht im Lande. Die Einheitspartei trieb die Umgestaltung von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft voran. Die kommunistische Ideologie wurde in der neuen Verfassung vom 22. Juli 1952 verankert. Der Sejm wurde nicht nur gesetzgebende Körperschaft, sondern auch Träger der obersten Staatsgewalt. Das Amt des Staatspräsidenten wurde durch einen Staatsrat mit einem Vorsitzenden ersetzt. Die Bestimmungen zu Justiz, Verwaltung und Kommunalordnung spiegelten das stalinistische Staatsverständnis wider. Doch die ausgeprägte Freiheitsliebe der Polen, ein gestärktes Nationalbewusstsein sowie das Gefühl  der Einheit von katholischer Kirche und Nation verhinderten die konsequente Umsetzung der kommunistischen Herrschaftsvorstellungen.

Wenige Tage nach Stalins Tod (1953) starb Boleslaw Bierut überraschend während seines Moskau-Aufenthalts. Der mittlerweile rehabilitierte Wladyslaw Gomulka wurde erneut zum Parteichef gewählt. Er kündigte die Abkehr von der starren Planwirtschaft und der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, eine Erweiterung der Arbeiterselbstverwaltung mit materiellen Anreizen für die Werktätigen und die Abhaltung demokratischer Wahlen an. Nach den Sejm-Wahlen von 1957 hatte die PZPR nur noch gut 50 Prozent der Abgeordnetensitze; der Rest ging an die Blockparteien und an Vertreter von drei katholischen Gruppen.

Es gelang jedoch nicht, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Lebensmittelknappheit und erhöhte Preise mehrten die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Unruhen in Posen/Poznan wurden vom polnischen Militär am 28.08.1956 niedergeschlagen. Während des israelisch-arabischen Sechs-Tage-Krieges (1967) versuchte die Parteiführung, mittels antijüdischer Hetze von den innenpolitischen Problemen abzulenken. 20.000 Menschen jüdischen Glaubens/Herkunft, darunter Wissenschaftler, Schriftsteller und Journalisten, sahen sich gezwungen, Polen zu verlassen. Der „Prager Frühling“ (1968) löste in Warschau Studentenunruhen aus, die von den Sicherheitsorganen niedergeschlagen wurden.

Am 7. Dezember 1970 wurde der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet und die Oder-Neiße-Linie als gemeinsame Grenze faktisch anerkannt. In der Folge schwand in der polnischen Bevölkerung langsam das Gefühl der Bedrohung durch Westdeutschland.

Die Streichung der Lebensmittelsubventionen und Preiserhöhungen zwischen 13 und 36,8 Prozent führten in den Industriestädten, wie Danzig, zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Protestierenden und den Armee- und Milizeinheiten. Die „Dezember-Ereignisse“ forderten 45 Menschenleben und über tausend Verletzte. Am 20. Dezember 1970 wurden Gomulka und sein Mitarbeiterstab aus dem Politbüro abgewählt und ihrer Ämter enthoben. Edward Gierek wurde zum Parteisekretär gewählt. Die neue Regierung machte politische, wirtschaftliche und soziale Zugeständnisse, die die Lage entspannten.

Infolge der weltweiten Energiekrise (1973) und der damit verbundenen Konjunkturschwäche der westlichen Industriestaaten brachen wichtige Absatzmärkte für die polnische Industrie weg. Zugleich mehrte der wachsende Einfuhrbedarf an Hochtechnologie das polnische Außenhandelsdefizit. In der angespannten Finanzsituation strich die Regierung die Subvention für Grundnahrungsmittel. Erneute drastische Preiserhöhungen bis zu hundert Prozent führten zu Hamsterkäufen und neuen Volkserhebungen. Die Regierung griff hart durch. Tausende Arbeiter wurden entlassen, 78 Personen in Sondergerichtsverfahren wegen „Rowdytums“ zu Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren verurteilt. Die Preiserhöhungen mussten jedoch zurückgenommen werden. Ende September 1976 gründete man das „Komitee zur Verteidigung der Arbeiter“ (KOR). Dessen Mitglieder protestierten gegen die Verletzung der Verfassungsnormen. Das KOR verstand sich als Bürgerrechtsbewegung. Es kämpfte für die Demokratisierung der Gesellschaft.

Die katholische Kirche entwickelte sich zunehmend zu einem Sammelpunkt für alternatives Denken. Die Wahl des Krakauer Erzbischofs Karol Wojtyla (1920–2005) zum Papst Johannes Paul II. im Oktober 1978 und dessen triumphale Polenreise im Juni 1979 beschleunigten die Machterosion der Parteizentrale.

1980 gab die starke Erhöhung der Fleischpreise Anlass zu mehreren landesweiten Streikwellen, die von der Danziger Lenin-Werft angeführt wurden. Hier wurde die Solidarnosc-Gewerkschaft aus der Taufe gehoben. Die Regierung sah sich gezwungen, einzulenken. Der stellvertretende Ministerpräsident Mieczyslaw Jagielski und Lech Walesa trafen entsprechende Vereinbarungen. Dass der unabhängigen Gewerkschaft Streikrecht und mediale Öffentlichkeit zugesichert wurden, war ein Novum für ein kommunistisches Land. Unter dem Ministerpräsidenten und Ersten Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) General Wojciech Jaruzelski hielten die Krisenerscheinungen an. Die Solidarnosc mit Lech Walesa setzte auf Streik. Der drohende wirtschaftliche Bankrott und die Gefahr einer militärischen Intervention der UdSSR führten am 13. Dezember 1981 zur Verhängung des Kriegsrechts. Ein Militärrat unter Leitung von General Jaruzelski übernahm die Kontrolle. Streiks wurden untersagt und Solidarnosc verboten. Nach einem Jahr wurde das Kriegsrecht ausgesetzt und 1983 aufgehoben. Walesa erhielt den Friedensnobelpreis, konnte ihn wegen des Ausreiseverbots jedoch nicht annehmen. 1984 lösten die Entführung und Ermordung des Warschauer Priesters Jerzy Popieluszko erneute Unruhen aus. Im August 1988 brachen landesweite Streiks aus. Erst nachdem die Regierung die Reaktivierung von Solidarnosc zusicherte, wurden die Streiks eingestellt.

Von Februar bis April 1989 fanden Gespräche am „Runden Tisch“ zwischen der neuen Regierung Mieczyslaw Rakowski, Kirche und Opposition statt. Die Kapitulation der PVAP führte zur Legalisierung von Solidarnosc und der Bildung einer zweiten Parlamentskammer. Im Juni 1989 fanden halbfreie Parlamentswahlen mit einem herausragenden Sieg der Opposition statt. Das Bürgerkomitee Solidarnosc bildete mit der Vereinigten Bauernpartei und der Demokratischen Partei eine Koalition. Der katholische Publizist Tadeusz Mazowiecki wurde als Nachfolger des Generals Czeslaw Kiszczak erster nichtkommunistischer Regierungschef in Osteuropa.

 

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