Forderung

Deutsche Minderheit in Polen vor Diskriminierung schützen – ein offener Brief

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Baerbock,

meine Frau und ich, Werner Wolf, waren vor Kurzem auf einer Bildungsreise durch Schlesien, Region Oppeln in Polen. Die Reise wurde vom Frauenverband im Bund der Vertriebenen e.V. hervorragend organisiert. Auf unserer Reise haben wir Land und Leute kennen gelernt. Wir haben gesehen, wie schön diese Region ist: Es gibt viele neue Häuser, die Gärten sind gepflegt, es gibt keine Plastikflaschen am Wegesrand. Nur sehr, sehr wenige Häuser, die grau sind und wo der Putz bröckelt, geben Zeugnis von der kommunistischen Periode. Kurzum es ist deutlich zu sehen, dass der Lebensstandard in Polen seit der Wende sich enorm verbessert hat.

Auf unserer Reise haben uns auch fünf schlesische Frauen aus der Region Oppeln begleitet. Da es während der kommunistischen Zeit in Polen unter Strafe verboten war deutsch zu sprechen, können diese älteren Personen ihre Muttersprache nur noch gebrochen sprechen und unterhalten sich untereinander in Polnisch. Dennoch wollen sie nicht als Polen bezeichnet werden, denn sie gehören zur deutschen Minderheit in Polen. Wir haben aber auch etliche jüngere Frauen getroffen, die ein einwandfreies Deutsch sprechen. Alle diese Personen sind sehr engagiert, das Deutsche in Polen zu erhalten bzw. wieder zu beleben. Wir haben bei dem Wirken dieser Personen keinerlei antipolnische Stimmung erkennen können. In vielen Projekten wird die deutsch-polnische Freundschaft in den Mittelpunkt gestellt. Leider wird dies von der derzeitigen polnischen Regierung nicht immer honoriert.

In Polen gibt es gemäß einer Volkszählung aus dem Jahre 2011 bis zu 14 Minderheiten. Die größte Minderheit ist die Deutsche. Die Kinder der Minderheiten werden bis zur 8.ten Klasse mit 3 Wochenstunden in der Muttersprache unterrichtet. Nach der 8.ten Klasse gibt es Deutsch nur als Fremdsprache, was für Schüler der deutschen Minderheit unzureichend ist. Für das neue Schuljahr hat die nationalistische, polnische Regierung beschlossen die 3 Unterrichtsstunden nur der deutschen Minderheit auf EINE Stunde zu reduzieren, mit der Begründung das polnische Kinder in Deutschland auch nicht in ihrer Muttersprache unterrichtet werden. Diese Argumentation ist nicht belastbar, da die hier lebenden etwa 700 000 Polen im Unterschied zur deutschen Minderheit in Polen, freiwillig nach Deutschland gekommen sind und keinen deutschen Pass besitzen.

In Deutschland gibt es vier anerkannte Minderheiten aber weit mehr als 100 Nationalitäten. Würde die Argumentation der polnischen Regierung sich in Deutschland durchsetzen, wäre das deutsche Bildungssystem bei Weitem überfordert und überlastet. Das Bildungsniveau aller Schüler würde drastisch sinken.

Die deutsche Minderheit in Polen hat aus Protest gegen den Beschluss der polnischen Regierung zur Reduzierung der Stundenanzahl ihren Sitz im Rat der Minderheiten ruhen lassen. Aus Solidarität mit der deutschen Minderheit, haben auch die anderen Minderheiten ihren Sitz ruhen lassen, was zur Folge hatte, dass die Arbeit des Rates der Minderheiten zum Erliegen kam. Daraufhin hat die polnische Regierung den Minderheiten angedroht die Mittel zu streichen. Da die anderen Minderheiten auf die Zuwendung der finanziellen Mittel angewiesen sind, haben diese ihre Arbeit wieder aufgenommen.

Diese offensichtliche Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen ist so nicht hinzunehmen. Es scheint uns so, als ob der Vater (die polnische Regierung) sein Kind (die deutsche Minderheit in Polen) schlägt, um die Mutter (die deutsche Regierung) zu erpressen. Der erste Regierungschef Polens nach dem Zweiten Weltkrieg, der nicht dem kommunistischen Regime angehörte, war Tadeusz Mazowiecki: „Polen ist ein Staat – eine Heimat – nicht nur für Polen. Wir leben in diesem Land mit Vertretern anderer Nationen. Wir wollen, dass sie sich hier heimisch fühlen, ihre Sprache pflegen und mit ihrer Kultur unsere Gesellschaft bereichern.“ (Ausschnitt vom Exposee 1989).

Sehr geehrte Frau Ministerin Baerbock, bitte unterstützen Sie die Bemühungen der Vertreter der deutschen Minderheit die Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen aufzuheben. Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen

Werner und Sieglinde Wolf

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Das Ehepaar Wolf nahm an der internationalen Begegnungstagung im Juli 2022 in Oberschlesien teil. Nach ihren Eindrücken schickten sie diesen Brief an das Büro der Bundesministerin des Auswärtigen, Frau Annalena Baerbock.

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