Die baltischen Länder: Drei Staaten, drei Sprachen – eine gemeinsame Geschichte und Kultur?
Die „Baltischen Kreuzzüge“ berichten von der Christianisierung der Regionen im Nordosten Europas um 1009. Neben dem Schwertbrüderorden war auch der Deutsche Orden an dieser Mission beteiligt. Während der Kreuzzüge geriet Livland unter dänische Herrschaft. Fortan oszillierte die Region zwischen dem Deutschen Orden und dem Kiewer Rus. 1369 wagte das Großfürstentum Litauen den Befreiungsschlag gegen den Kiewer Rus, verbündetet sich 1386 mit dem polnischen Königreich in Personalunion und besiegte 1410 bei Tannenberg mit der Unterstützung des (nach Unabhängigkeit strebenden) Patriziats der Städte den Deutschen Orden. Im 15. und 16. Jh. bedrohte und unterjochte das Moskauer Großfürstentum das Reich.
Die Begrifflichkeit der „Baltischen Staaten“ und die Staatsgründungen von Litauen, Lettland und Estland hängen eng mit dem Verlauf und dem Ende des Ersten Weltkrieges zusammen. Nachdem Litauen 1915 von den deutschen Truppen erobert worden war, dem 1917 und 1918 Lettland und Estland folgen sollten, unterstand die gesamte baltische Region den deutschen Besatzern. Die Militärverwaltung OberOst (Oberbefehlshaber Ost) regierte das Land. Deren Herrschaft zielte auf die Ausbeutung der Ressourcen der Region und auf die Germanisierung der Bevölkerung. Jedoch erschien eine direkte Annexion des baltischen Raumes undurchführbar, aufgrund des mittlerweile propagierten Selbstbestimmungsrechts der Völker. Deswegen setzte man auf eine formale Selbständigkeit der Staaten, aber mit einer sehr engen Bindung an das Deutsche Reich. Demnach deklarierte die Unabhängigkeitserklärung Litauens 1917 das ewige Bündnis mit dem Deutschen Reich sowie eine Münz- und Militärunion. Den besiegten deutschen Truppen folgte die Rote Armee. Esten, Letten und Litauer mussten um ihre Unabhängigkeit und ihre innere Ordnung ringen. Die Litauer wurden zusätzlich mit polnischen Gebietsansprüchen konfrontiert. Begründet wurden diese mit dem hohen polnischen Bevölkerungsanteil und der engen Verbindung seit dem Mittelalter. Infolge des Hitler-Stalin-Pakts gelangten die baltischen Länder in die sowjetische Einflusssphäre. Die Repressalien gegen Esten, Letten und Litauer gipfelten in der Deportation tausender Männer, Frauen und Kinder nach Sibirien. Die als Befreier auftretende Wehrmacht schritt zur Deportation und Ermordung der Juden in den baltischen Staaten. Die Deutschen wurden 1939/40 „heim ins Reich“ umgesiedelt. Im September 1944 schritt die Rote Armee zu Rückeroberung. Der erbitterte Widerstand der Balten wurde durch erneute Deportationen gebrochen. Die Überlebenden kehrten erst 1964 heim. Die Bevölkerung in den drei sowjetischen Teilrepubliken schien befriedet, ohne loyal zu sein. Durch den Zustrom von russischen Industriearbeitern und Verwaltungspersonal sank der Anteil der Einheimischen besorgniserregend (Estland 60 %). Infolge von Gorbatschows Politik von „Glasnost “ und „Perestroika“ erlebten die Freiheitsbewegungen in den baltischen Ländern einen Aufschwung. Die „singende Revolution“ und die Gründung von Volksfronten sicherten den Zusammenhalt der jeweiligen Gemeinschaften. Mit dem Wahlsieg der Volksfronten gegen das Monopol der kommunistischen Parteien ebneten sie 1990 den Weg in die Unabhängigkeit. Der Höhepunkt der Freiheitsbewegung war die Bildung einer 600 km langen Menschenkette zwischen den Hauptstädten Tallinn, Riga und Vilnius am 23. August 1989 – 50 Jahre nach der Unterzeichnung des Hitler-Stalin- Paktes.
Wo wir als Westeuropäer auf den ersten Blick eine gewisse Gleichzeitigkeit in den politischen Entwicklungen seit dem Ersten Weltkrieg sehen, soll die Tagung Anlass zu einer differenzierteren Betrachtung der Geschehnisse in den baltischen Ländern und ihrer Auswirkungen für das Dasein der Balten-Deutschen bieten. Die damit verbundenen Fragen werden wir in der Tagung besprechen: Welche Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten lassen sich in der Zwischen- und Nachkriegszeit in den einzelnen baltischen Staaten in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und kirchliches Leben feststellen? Welche Rolle spielen Frauen in diesen Lebensbereichen? Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den baltischen Ländern? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Deutsch-Balten in der Bundesrepublik und ihren Heimatländern? Wie entwickelte sich die Zusammenarbeit zwischen den baltischen Staaten und der Bundesrepublik sowie der EU?
In der Zeit des russischen Angriffs auf die Ukraine ist es wichtig, dass wir uns mit der Realität der baltischen Staaten auseinandersetzen und sie unserer Solidarität versichern.
Sie alle lade ich herzlich ein, sich gemeinsam mit Kennern der deutsch-baltischen Geschichte und Gegenwart auf Fragen des Deutsch-Baltischen-Seins gestern und heute in den baltischen Ländern und in der Bundesrepublik einzulassen.
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Organisatorische Hinweise:
Einhaltung aller gesetzlichen Hygiene Vorgaben laut Infektionsschutzgesetz und Selbstverpflichtungserklärung.
Der Beitrag für die Teilnahme deutscher Gäste beträgt 85,- €, plus Kurtaxe 1,80 € pro Tag. Gäste aus dem Ausland zahlen 20,- €.
Die Fahrtkostenerstattung gilt nur für die 2. Klasse Bundesbahn, mit dem PKW Höchstsatz: 150 €.
Anmeldung: Bildungsstätte Heiligenhof, Alte Euerdorfer Str. 1, 97688 Bad Kissingen, Telefon: 0971-714 70, Fax.: +49 971 / 7147-47, E-Mail: info@heiligenhof.de, Internet: www.heiligenhof.de.
Bitte teilen Sie den Wunsch nach Einzel- oder Doppelzimmer mit.
Anmeldung ab sofort bitte bis zum 3. August 2022 .Erfolgt eine Abmeldung später als vier Tage vor Beginn der Tagung oder erscheint der Teilnehmer nicht, berechnen wir den vollen Beitrag.
Im Preis enthalten sind Kosten für Unterkunft, Verpflegung und das gesamte Programm. Der Einzelzimmerzuschlag: 10 € pro Nacht, ohne Übernachtung: 55,- € (Programm und Verpflegung), Einzelvortrag: 7 €.